Bedeutung
Die Tendenz, sich zu sehr auf die erste erhaltene Information (den „Anker“) zu stützen, wenn man Entscheidungen trifft.
Emotionen
Der Anker-Effekt im Arbeitskontext kann durch eine Vielzahl von Emotionen beeinflusst werden und gleichzeitig bestimmte emotionale Reaktionen hervorrufen. Hier sind einige Schlüsselemotionen, die eine Rolle spielen können:
Sicherheit und Komfort: Die erste Information bietet einen Ausgangspunkt, der Sicherheit und Komfort vermitteln kann, besonders in Situationen, die von Unsicherheit geprägt sind. Das Festhalten an diesem Anker kann das Gefühl verstärken, eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu haben.
Überraschung und Enttäuschung: Wenn spätere Informationen stark vom ursprünglichen Anker abweichen, können Überraschung und Enttäuschung auftreten. Dies kann der Fall sein, wenn beispielsweise das endgültige Angebot eines Lieferanten weit über dem anfänglichen Schätzwert liegt.
Frustration: Die Erkenntnis, dass der Anker möglicherweise nicht die beste Informationsgrundlage für eine Entscheidung war, kann zu Frustration führen, insbesondere wenn diese Einsicht zu spät kommt, um noch Anpassungen vorzunehmen.
Verteidigung und Rechtfertigung: Wenn Personen ihre Entscheidungen, die auf einem Anker basieren, verteidigen müssen, können Emotionen wie Verteidigungsbereitschaft und der Drang zur Rechtfertigung ihrer Wahl auftreten, besonders wenn der Anker in Frage gestellt wird.
Erleichterung: Wenn der Anker sich letztendlich als hilfreiche Orientierungshilfe erweist und zu einer erfolgreichen Entscheidung führt, kann Erleichterung eine Rolle spielen. Dies bestärkt möglicherweise das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit und in die Verwendung von Ankern als Entscheidungshilfe.
Vertrauen und Zuversicht: Die frühe Festlegung auf einen Anker kann Vertrauen und Zuversicht in die eigene Entscheidung stärken, besonders wenn diese Entscheidung von anderen bestätigt wird.
Schuld und Bedauern: Wenn sich herausstellt, dass eine Entscheidung, die stark auf einem Anker basierte, suboptimal war, können Schuldgefühle und Bedauern auftreten. Dies kann zu einer kritischen Selbstreflexion über den Entscheidungsprozess führen.
Diese Emotionen beeinflussen, wie stark sich Individuen auf Anker verlassen, und können sowohl die individuelle Entscheidungsfindung als auch die Gruppendynamik im Arbeitskontext prägen. Ein Bewusstsein für diese emotionalen Aspekte kann dabei helfen, den Einfluss des Anker-Effekts auf Entscheidungen zu minimieren.
Beispiele
Projektbudgetierung: Ein Projektmanager erhält ein anfängliches Kostenvoranschlag für ein Projekt, das deutlich unter den Erwartungen liegt. Trotz späterer Hinweise, dass zusätzliche Ausgaben notwendig sind, um das Projekt erfolgreich abzuschließen, zögert der Manager, das Budget anzupassen, da er sich zu stark auf den ursprünglichen, niedrigeren Betrag als Anker festgelegt hat. Dies führt zu unrealistischen Budgeterwartungen und potenziellen Engpässen in der Projektfinanzierung.
Gehaltsverhandlungen bei der Einstellung: Ein Bewerber wird früh im Bewerbungsgespräch nach seinen Gehaltsvorstellungen gefragt und nennt eine Zahl, die unter dem Marktstandard liegt. Diese frühe Angabe wird zum Anker für die weiteren Verhandlungen, und trotz späterer Erkenntnisse über den Marktwert der Position fällt es dem Bewerber schwer, eine signifikante Erhöhung über diesen Ankerwert hinaus zu erreichen.
Jahreszielsetzung: Zu Beginn des Jahres legt ein Teamleiter die Verkaufsziele basierend auf den Zahlen des Vorjahres fest, ohne Änderungen im Markt oder neue Wettbewerbsbedingungen zu berücksichtigen. Diese ursprünglichen Zahlen dienen als Anker, und trotz Hinweisen, dass die Ziele zu niedrig oder zu hoch sind, bleiben sie unverändert, was die Teammotivation und die Ressourcenallokation beeinflussen kann.
Leistungsbeurteilungen: Ein Manager bildet sich eine Meinung über die Leistung eines Mitarbeiters basierend auf einer besonders herausragenden oder schlechten frühen Leistung. Diese erste Bewertung dient als Anker für zukünftige Beurteilungen, und der Manager neigt dazu, nachfolgende Leistungen in einem Licht zu sehen, das diese anfängliche Einschätzung bestätigt, selbst wenn sich die Leistung des Mitarbeiters signifikant ändert.
Lieferantenauswahl: Beim Einkauf eines neuen IT-Systems erhält ein Unternehmen ein erstes Angebot von einem Lieferanten, das als Grundlage für den Vergleich mit anderen Anbietern dient. Dieses erste Angebot wird zum psychologischen Anker, und selbst wenn andere Angebote bessere Konditionen oder zusätzliche Funktionen bieten, fällt es dem Entscheidungsteam schwer, sich von dem Ankerpreis zu lösen, was zu einer weniger optimalen Wahl führen kann.