Viele sind zunehmend gestresst oder genervt! Was kann man dagegen tun?

Ob wir genervt oder gestresst sind, kümmert uns oft wenig. Wir sind von negativen Emotionen überflutet, die wir verzweifelt loswerden möchten. Und je mehr wir dagegen ankämpfen oder sie zu verbergen versuchen, desto stärker wächst unsere Frustration und damit der Stresspegel. Das führt zu einem schier endlosen Teufelskreis.

Diejenigen, die es schaffen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, können sich glücklich schätzen. Doch in der Zwischenzeit hört man immer wieder Stimmen, die uns anfeuern, uns zusammenzureißen oder uns vorzuwerfen, wir würden uns anstellen. Diese Stimmen mögen vordergründig Stärke suggerieren, aber wer seine eigene Verletzlichkeit ignoriert, riskiert Schiffbruch.

Die Statistiken sind alarmierend und zeigen deutlich, dass die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage aufgrund psychischer Probleme von Jahr zu Jahr steigt. Dies betrifft Angststörungen, Panikattacken, Zwangsstörungen, Schlafprobleme, Burnout, Depressionen und Suchterkrankungen.

Diejenigen, die einen souveränen Umgang mit ihrer eigenen Verletzlichkeit und Belastbarkeit entwickeln, die lernen, wie man klare Grenzen setzt und auch mal „Nein!“ sagt, haben gute Aussichten, den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.

Leider scheitern viele Menschen in der Praxis immer wieder daran, diese Möglichkeiten zu nutzen und in ihren Alltag zu integrieren.

Aber das muss nicht so bleiben!

Was unterscheidet Genervtheit von Stress?

Genervtheit

Genervtheit ist ein vorübergehender emotionaler Zustand, der durch eine gewisse Reizbarkeit, Unbehagen oder Frustration gekennzeichnet ist. Sie tritt oft auf, wenn eine Person wiederholt von bestimmten Umständen, Menschen oder Ereignissen gestört oder irritiert wird.

Genervtheit kann in der Regel durch Ablenkung abklingen, oder wenn die Quelle des Ärgers bzw. der Reizung beseitigt oder gemieden wird. Damit ist sie oft einfacher aufzulösen, z.B. durch Sätze wie „Ach komm, das wird schon wieder.“ oder „Ja, verstehe ich, das nervt mich auch manchmal.“

Es ist jedoch wichtig, Genervtheit nicht mit andauerndem Stress oder schwerwiegenderen emotionalen Problemen zu verwechseln, die professionelle Hilfe erfordern könnten.

Stress

Stress kann durch eine Vielzahl von Faktoren und Situationen ausgelöst werden. Er ist in der Regel ein tiefergehendes und länger anhaltendes Gefühl, das oft mit Überforderung verbunden ist. Das macht es auch so schwierig, Stress nachhaltig in den Griff zu kriegen.

Im Allgemeinen können die Ursachen von Stress in folgende Kategorien unterteilt werden:

  1. Arbeit: Beruflicher Stress kann durch hohe Arbeitsbelastung, Termindruck, unklare Aufgabenstellungen, Konflikte am Arbeitsplatz, Unsicherheit über die berufliche Zukunft und andere arbeitsbezogene Herausforderungen verursacht werden.

  2. Finanzen: Geldsorgen, Schulden und finanzielle Instabilität können erheblichen Stress verursachen.

  3. Beziehungen: Konflikte in Beziehungen, sei es in der Familie, in der Partnerschaft oder im sozialen Umfeld, können stressig sein.

  4. Gesundheit: Gesundheitsprobleme, sowohl eigene als auch die von nahestehenden Personen, können Stress auslösen.

  5. Lebensveränderungen: Lebensübergänge wie Umzüge, Trennungen, Scheidungen, Geburten oder Todesfälle in der Familie können stressig sein.

  6. Umweltfaktoren: Lärm, Umweltverschmutzung, übermäßige Hitze oder Kälte und andere Umweltbedingungen können Stress verursachen.

  7. Persönliche Erwartungen und Ansprüche: Hohe Erwartungen an sich selbst oder das Gefühl, den Erwartungen anderer nicht gerecht zu werden, können Stress hervorrufen.

  8. Technologie und Informationsüberlastung: Ständige Erreichbarkeit, die Flut an Informationen in der digitalen Welt und die permanente Nutzung von Technologie können zu Stress führen.

Ständiger Stress kann dauerhaft zu ernsthaften psychischen und körperlichen Problemen führen. Die Bewältigung von Stress erfordert oft strategische Ansätze zur Stressreduktion, wie Zeitmanagement, Entspannungstechniken oder die Bewältigung von Stressoren.

Wie viel Stress halten wir aus?

Schon Paracelsus sagte im 16. Jahrhundert:

Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding (k)ein Gift sei.

Damit stellen sich folgende Fragen:

  • Welche Dosis an Stress ist verträglich?
  • Welche ist vorübergehend noch vertretbar?
  • Ab wieviel Stress ist es toxisch?

Was gäben viele jetzt dafür, wenn die Antwort hierauf eine einfache wäre, eine, die für alle Menschen gelten würde. Doch in der Psychologie wissen wir schon lange, dass wir Menschen genetisch, physisch, psychisch und mental unterschiedlich gebaut sind. 

Dadurch haben wir unterschiedliche Fähigkeiten, mit denen wir für manche Situationen gut und für andere Situationen weniger gut gerüstet sind.

Vulnerabilitäts-Stress-Modell

In der Psychologie arbeitet man mit einem Modell, welches veranschaulicht, wie unsere Belastbarkeit von unserer individuellen Verletzlichkeit (Vulnerabilität), den äußeren und inneren Stressoren und Belastungen abhängt und welche Schutzfaktoren und Bewältigungsstrategien daraus entwickelt werden können.

Eine Metapher, die dafür gerne benutzt wird, ist die vom Segelboot:

Wir alle sind auf unseren Ozeanen unterwegs und unsere Boote sind unterschiedlich gebaut. Wir tragen unterschiedliche Lasten (Päckchen) mit uns, haben unterschiedlichen Tiefgang und begegnen verschiedenen Untiefen.

Auch stehen uns für unsere Fahrt über das offene Meer unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung, um mit hohen Wellen, Windflauten, Riffen oder Sandbänken umgehen zu können. Wege, die für die einen neu sind, haben andere vielleicht schon mehrfach befahren. Doch auch unsere Meere verändern sich.

Person A

© Verlag für Didaktik in der Medizin GmbH

Person B

© Verlag für Didaktik in der Medizin GmbH
Ab wann genau es für einen Menschen brenzlig wird und er Gefahr läuft, Schiffbruch zu erleiden, hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Und gleichzeitig gilt, dass manche Eigenschaften von uns Menschen unveränderlich sind und uns auch zu dem Menschen machen, der wir sind. Das bedeutet:
  • Stress wird von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommen,
  • verschiedene Menschen reagieren unterschiedlich auf dieselben Auslöser,
  • die Fähigkeit zur Stressbewältigung variiert von Mensch zu Mensch,
  • einige Menschen sind besser darin, mit Stress umzugehen, während andere Schwierigkeiten haben, ihn zu bewältigen.

Und genau hier liegt auch die Schwierigkeit, wenn es darum geht, die richtigen Maßnahmen zur Stressbewältigung anzubieten. Sie müssen individuell zur Person und Situation passen, um nachhaltig hilfreich und wirksam zu sein.

Alles andere wäre so, als würde man allen Booten sagen, jetzt das Segel zu setzen, ganz unabhängig davon, ob es für das einzelne Boot, gerade sinnvoll ist, oder nicht.

Das wäre ja irgendwie verrückt.

Wie wird typischerweise Stress reduziert?

Stressreduktion kann auf verschiedene Weisen erreicht werden, und die geeigneten Methoden können je nach den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben variieren. Am Schiffsmodell betrachtet, lassen sich folgende Möglichkeiten zur

Belastungen erkennen & reduzieren (Gepäck)

  • Achtsamkeit fördern (Meditation, Pausen, etc.)
  • Outsourcing (Loslassen, Delegieren, etc.)

Vulnerabilität verstehen (Tiefgang)

  • z.B. eigene Prägungen, Motive, Werte & Ziele
  • Emotionen und Gefühle verstehen
  • eigene Denk- und Verhaltensmuster erkennen
  • körperliche Reaktionen beobachten

Umlernen & Maßnahmen ergreifen (Hilfsmittel nutzen & Navigation verbessern)

  • Autopiloten „abschalten“
  • Denk- und Verhaltensweisen verändern
  • Hilfsmittel nutzen und andere um Hilfe fragen
  • Ziele und Grenzen setzen

Bewährte Strategien zur Stressbewältigung

Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Freisetzung von Stresshormonen reduzieren und das Wohlbefinden steigern. Selbst kurze Spaziergänge können helfen. Ein regelmäßiger Gang in der freien Natur, Sonnenlicht und frische Luft sind besonders hilfreich.

Experimentieren Sie mit verschiedenen Entspannungstechniken wie Massage, Aromatherapie, warmes Baden oder Sauna. Praktiken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen, Meditation und Yoga können dazu beitragen, Stress abzubauen und die körperliche Entspannung zu fördern. 

Auch der richtige Einsatz von Virtual Reality Brillen reduziert nachweislich Stress (mehr in meinem Artikel „Entspannung auf Knopfdruck!“

Finden Sie Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten und Entspannung bringen, sei es Lesen, Musik hören, Basteln oder andere Hobbys.

Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann dazu beitragen, den Körper mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen, die er braucht, um besser mit Stress umgehen zu können. Auf Stoffe, die Ihnen schaden, wie Nikotin, Alkohol, Zucker oder auf die Sie allergisch reagieren, sollten Sie am besten verzichten oder sie zumindest stark reduzieren.

Investieren Sie Zeit in Aktivitäten, die Sie lieben und die Ihnen Freude bereiten. Dies kann helfen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.

Lernen Sie, „Nein“ zu sagen und Ihre eigenen Grenzen zu respektieren. Übermäßige Verpflichtungen können Stress verursachen.

Bei anhaltendem oder schwerem Stress kann die Unterstützung von Therapeut*innen oder Ärzten hilfreich sein. Sie können therapeutische Techniken anwenden und, wenn notwendig, Medikamente verschreiben.

Ausreichender und qualitativ hochwertiger Schlaf ist entscheidend für die Stressbewältigung. Schlafhygiene-Praktiken, wie ein regelmäßiger Schlafplan und ein ruhiges Schlafumfeld, sind hilfreich.

Reden Sie mit Freunden, Familie oder Therapeut*innen über Ihre Sorgen und Ängste. Eine starke soziale Unterstützung kann Stress reduzieren.

Priorisieren Sie Aufgaben und setzen Sie realistische Ziele. Dies kann dazu beitragen, das Gefühl der Überforderung zu reduzieren. Nutzen Sie dafür auch Tools um auch zu sehen, wie Sie vorankommen.

Die Praxis der Achtsamkeit ermöglicht es Ihnen, im gegenwärtigen Moment zu sein und sich weniger auf vergangene Sorgen oder zukünftige Ängste zu konzentrieren.

Person A (besser ausgerüstet)

© Verlag für Didaktik in der Medizin GmbH

Was bedeutet das im Unternehmenskontext?

Jetzt könnte man sagen, dass ja jede*r selbst dafür verantwortlich ist, dass es ihr*ihm gut geht. Gleichzeitig wissen wir, dass wir uns leichter tun, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und bekräftigen, also im Team voneinander lernen.

Hinzu kommt, dass viele Belastungen ihren Ursprung in den Unternehmen selbst haben und es daher hilfreich ist, Vorgaben und Prozesse hin und wieder gemeinsam zu hinterfragen.

Als Führungskraft kann man sich eine einfache Frage stellen:

Was haben wir als Unternehmen davon, wenn es unseren Mitarbeiter*innen körperlich und mental gut geht?

Zusammenfassung

Die Auswirkungen von Stress auf uns Menschen, unsere Belastbarkeit und unser Wohlbefinden sind wohl die zentralen Themen der heutigen Zeit, wenn es darum geht, auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben.

Dabei gilt es, früh zu erkennen, wie sich interne und externe Faktoren auf Sie, Ihr Team und Unternehmen auswirken, und welche Hebel Sie haben, um die Entwicklung positiv zu beeinflussen

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Beseitigung von Hürden, die dem aktiven Einsatz der Hebel dabei im Wege steht. Mehr Druck erzeugt schlussendlich nur noch mehr Stress und noch mehr Widerstand. Es ist einfacher, Widerstände aufzulösen als sie zu brechen. 

Letzteres erzeugt genau das, was Sie eigentlich bekämpfen wollen: Stress und Krankheit.

Wie Sie das im Team oder Unternehmen umsetzen?

Vorträge und Workshops zur Sensibilisierung helfen, die Denk- und Verhaltensweisen für einen gesunden Umgang mit sich selbst und anderen Menschen zu fördern. Angebote gibt es genügend, nur die Anwendung und dauerhafte Integration stellt häufig die größte Herausforderung dar.

Lassen Sie uns darüber sprechen, wie wir das bei Ihnen und Ihrem Team verändern können!

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